ERSTE VERANSTALTUNG AM 29.06.2017

Mit dem einstimmigen Beschluss einer gemeinsamen Charta endete das erste Arbeitstreffen des Stiftungsnetzwerks Ruhr am 29. Juni 2017 in Bochum. 55 Stiftungen aus der Region Ruhr beschlossen mit der Charta die Grundsätze ihrer zukünftigen Zusammenarbeit in den Räumen der GLS Bank. In Workshops wurden konkret gemeinsame Förderschwerpunkte und Handlungsfelder diskutiert. Unter der Schirmherrschaft der Oberbürgermeister der Städte Bochum und Essen, Thomas Eiskirch und Thomas Kufen, diskutierten 85 Vertreterinnen und Vertreter regionaler Stiftungen über gesellschaftliche Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten.

Workshops

In vier parallelen Workshops zu den Schwerpunktthemen Bildung, Stadtteilentwicklung, Engagement- und Kulturförderung wurden Arbeitsgruppen gebildet. Durch moderierte Input-Vorträge traten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Dialog über Kooperationsmöglichkeiten, verbesserte Kommunikation und gemeinsame Projektvorhaben. Eindeutig war der Wunsch aller Beteiligten, in Zukunft regelmäßigere Treffen der einzelnen Arbeitsgruppen zu organisieren. Über eine städteübergreifende Vernetzung wollen die Mitglieder des Stiftungsnetzwerks Ruhr verstärkt themen- statt projektorientiert zusammenarbeiten und voneinander lernen. Die Ergebnisse können Sie in der Dokumentation des Tages ab Seite 22 nachlesen.

Aus drei Workshops haben sich konkrete Arbeitsgruppen gebildet, die in regelmäßigen Treffen zu den Themen Bildung, Engagement & Bürgergesellschaft und Stadtteil- und Quartierentwicklung tagen.

Alle wichtigen Informationen zur ersten Veranstaltung können Sie in der Dokumentation nachlesen.

Impressionen der ersten Veranstaltung am 29.06.2017 in der GLS Bank in Bochum

Förderer und Kooperationspartner

Der Kreis der Initiatoren und Ermöglicher des Netzwerks erweiterte sich und umfasste nun die Anneliese Brost-Stiftung, die Stiftung Mercator, die innogy Stiftung für Energie und Gesellschaft, die RAG-Stiftung, die Stadt Essen und den Stifterverband. Als Förderer konnte die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gewonnen werden.

Die GLS Treuhand e. V., die GLS Bank, die Stadt Bochum und der Bundesverband Deutscher Stiftungen unterstützten die Veranstaltung.
Für die Organisation der Netzwerktreffens war erneut die Ehrenamt Agentur Essen e. V. verantwortlich.

In einem spannenden Gespräch diskutierten Winfried Kneip, Netzwerkinitiator und Geschäftsführer der Stiftung Mercator mit Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen über aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen für Stiftungen.

Winfried Kneip:
Sie haben kürzlich in einem Interview mit der ZEIT über ihr Bild von einem neuen, unternehmerischen Typ Stiftung gesprochen, der „quer denke“ und „kreativer beim Einsatz des Vermögens“ sein sollte. Was meinen Sie damit konkret?

Felix Oldenburg:
In den letzten Jahrzehnten haben Stiftungen ihren eigenen guten Zweck überwiegend als Auftrag zum Ausgeben von Geld verstanden. Blicken wir aber zurück in die jahrhundertealte Geschichte des Stiftungswesens, sehen wir oftmals ein breites Stiftungsverständnis. Stiftungen als Akteure, die Stiftungszweck und Vermögen eng zusammendenken. Ob als Betreiber eines Hospizes oder Krankenhauses, als Eigentümer landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Flächen oder Investoren in soziale Innovationen. Die anhaltende Niedrigzinsphase, in der das klassische ertragsorientierte Stiftungsmodel an seine Grenzen stößt, eröffnet die Chance, mit einem frischen Blick auf das Wirken und die Rolle des eigenen Vermögens zu schauen. Mit unserem Schwerpunkt „Kapital & Wirkung“ begleiten wir als Bundesverband Stiftungen auf diesem Weg, die Rolle und den Wirkungshebel des Stiftungsvermögens neu zu entdecken und zu aktivieren. Dafür stellen wir Veröffentlichungen, Veranstaltungen und Beratungsangebote zur Verfügung.

Winfried Kneip:
Was verstehen Sie unter dem „unternehmerischen Werkzeugkasten der Stiftungen“, den Sie in Ihrem Interview erwähnen? Dies vor dem Hintergrund, dass unternehmerisches mit Blick auf die Wirkung und den Outcome von Stiftungshandeln nicht immer die einzig valide Messgröße sein kann.

Felix Oldenburg:
Der Werkzeugkasten des Stiftens ist in erster Linie ein Bild, um zu verdeutlichen, dass wir als Stiftungen eine Vielzahl von Werkzeugen zur Verfügung haben, um unseren Stiftungszweck zu verwirklichen und einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Bei dem von mir beschriebenen unternehmerischen Ansatz geht es darum, dass wir mutvoller, innovationsfreudiger und effizienter diese Werkzeuge und unsere Ressourcen nutzen. Damit meine ich nicht nur monetäre Ressourcen, auch das Engagement von Menschen, das Stiftungen binden oder die Ideen, die ihnen zugetragen werden, sind wertvolle Ressourcen, die wir gezielt einbinden können.

Winfried Kneip:
Wir sehen derzeit, dass Stiftungen in autokratischen Regimen immer stärker unter Druck geraten; wie es sich derzeit am Beispiel der Stiftungen in Ungarn darstellt. Sie haben gesagt, dass auch deutsche Stiftungen durch Populismus unter Druck geraten können. Was bedeutet das für Stiftungshandeln? Muss es darauf Bezug nehmen?

Felix Oldenburg:
Wir sehen derzeit, dass Stiftungen in autokratischen Regimen immer stärker unter Druck geraten; wie es sich derzeit am Beispiel der Stiftungen in Ungarn darstellt. Sie haben gesagt, dass auch deutsche Stiftungen durch Populismus unter Druck geraten können. Was bedeutet das für Stiftungshandeln? Muss es darauf Bezug nehmen? Das Eis gesellschaftlicher Akzeptanz und Toleranz ist dünner als wir es oftmals wahrnehmen. Das betrifft nicht nur verhältnismäßig junge Demokratien in Ungarn oder Polen. Auch an den jüngsten Entwicklungen eines radikalisierenden Diskurses in Frankreich und Deutschland können wir die Zerbrechlichkeit lange als stabil geglaubter gesellschaftlicher Normen und Strukturen erkennen. So geraten in Deutschland beispielsweise auch Stiftungen immer stärker in den Fokus scharfer Kritik aus radikal rechten und linken Kreisen. Die politischen Ränder stehen dem freien Wirken von Stiftungen und deren Beteiligung am politischen Diskurs in Deutschland zunehmend kritisch gegenüber. Ein Blick in die einschlägigen Medien und auf die Online-Foren in der Szene reicht, um sich davon zu überzeugen. Vor dieser Entwicklung dürfen wir die Augen nicht verschließen, im Gegenteil, wir müssen Sie im Blick behalten. Für unser Handeln bedeutet es, dass wir noch besser darin werden müssen, Menschen zu erklären, was wir tun, warum wir es tun und wie wir es tun. Populistische Argumente können nur da erfolgreich greifen, wo Unwissen und Desinformation vorliegen. Dagegen haben wir als Stiftungen etwas in der Hand: Unsere Taten. Wir dürfen noch mutiger werden, öffentlich für sie –gemeinsam – einzustehen.

Winfried Kneip:
Sie fordern also, dass Stiftungen mutiger sein, über Grenzen hinweg gehen, offensiver an die Öffentlichkeit gehen sollen. Nun ist es gerade das Credo von Stiftungen keine politische Position zu beziehen, sich nicht in aktuellen Konflikten zu positionieren und sich öffentlich eher defensiv zu verhalten. Wie kann das zusammen gehen?

Felix Oldenburg:
Wenn es um elementare Grundfreiheiten und –rechte geht, sehe ich sehr wohl, dass Stiftungen Position beziehen sollten. Das Fundament und der Handlungsrahmen stifterischen Wirkens ist eine aufgeklärte, demokratische und pluralistische Gesellschaft. Gerät diese in Gefahr und unter Druck, ist nicht nur der Staat zum Handeln gezwungen, sondern auch die Stiftungen selbst. Ich trete nicht für einen übertriebenen politischen Aktivismus von Stiftungen ein, aber für ein klares Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie, wenn es nötig ist. Und dieses Bekenntnis reicht über Ländergrenzen hinaus. Wenn Stiftungen in uns nahe stehenden Ländern unter Druck geraten, sollten wir uns solidarisch verhalten.

Winfried Kneip:
Ein Stiftungsnetzwerk Frankfurt, eins in Hamburg, eins in Düsseldorf und wo sonst noch in der Republik. Nun noch das Stiftungsnetzwerk Ruhr. Ein weiteres Stiftungsnetzwerk, mit je eigener Dynamik, eigenen Regularien… Wie beurteilt der Generalssekretär des Bundesverbandes diese „Föderalisierung“ von Stiftungsnetzwerken? Hat der Bundesverband nicht schon genug Untergruppen zu betreuen?

Felix Oldenburg:
Stiftungsdeutschland ist vielfältig und bunt. Regionale Netzwerke sind ein positiver Ausdruck dieser Vielfalt. Oftmals kann man vor Ort direkt und ohne Umwege Probleme besprechen, Kontakte und Erfahrungen austauschen. Als Bundesverband machen wir dazu vielfältige Angebote für Stiftungen in allen Teilen Deutschlands. So finden der Deutsche StiftungsTag sowie die Arbeits- und Expertenkreise immer an wechselnden Orten statt. Darüber hinaus bieten wir mit dem neuen Format „Bundesverband vor Ort“ eine regelmäßige Plattform des Austausches. Und auch die digitalen Medien ermöglichen mehr Nähe: Unser neues Videoformat #30Minuten, der StiftungsBlog und die sozialen Netzwerke wie Twitter und Facebook bieten Inspiration und ermöglichen Dialog.

Winfried Kneip:
Was würden Sie uns für die Zukunft mit auf den Weg geben: Wovor müssen wir uns hüten? Was sollten wir beachten?

Felix Oldenburg:
1.) Die nächste Generation im Blick behalten.
Das Stiftungswesen lebt von Menschen, die sich tagtäglich mit Engagement und Ideenreichtum, für eine bessere Gesellschaft einsetzen. Gerade den Bedürfnissen und Perspektiven der nächsten Generation sollten wir offen gegenüberstehen und sie noch stärker einbinden. Hier liegt noch viel ungenutztes Potential. Das gilt auch mit Blick darauf, dass wir als Stiftungsszene noch bunter und in den Führungsetagen weiblicher werden können.

2.) Die Digitalisierung nutzen.
Neue Technologien ermöglichen es uns Menschen noch einfacher und effizienter in unser Stiftungshandeln einzubinden. Projektfinanzierung per Crowdfunding, Gesprächsrunden im digitalen Raum, Online-Abstimmung über zu fördernde Projekte, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir können die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet, noch besser nutzen.

3.) Miteinander statt übereinander reden.
Auf meinen Reisen durch Stiftungsdeutschland stelle ich immer wieder fest, wie viele einzigartige Stiftungen es gibt. Doch die Einzigartigkeit verleitet uns auch dazu, zu wenig miteinander ins Gespräch zu kommen. In noch stärkerer Kooperation zwischen Stiftungen, beispielsweise auch in finanziellen Fragen, sehe ich Entwicklungspotential.

Transkript des Interviews „Warum Vernetzung so wichtig ist“